Royedal (Stabkirche) – Røldal – Eidfjord
120 km
Bevor wir am nächsten Morgen starten konnten – die Regenkombis waren übrigens diesmal (noch) nicht notwendig – musste Moni zunächst ihre Kette einfetten. Gerade durch die gestrige Regenfahrt hatte sie gut von dem schmierenden Kettenöl eingebüßt. Ich weiß schon, warum meine GS die dritte Maschine mit Kardanantrieb ist.
Immerhin hat Moni’s Bandit jetzt ja einen Hauptständer. Zuvor mit der kleinen Kawa schob sie die Maschine immer wieder ein weiteres Stück nach vorne. Naja, richtige Profis heben das Hinterrad an indem sie ihre Maschine über Vorderrad und Seitenständer so kippen dass sie ihr Hinterrad frei drehen können. Aber das alles ist ja Dank des Hauptständers nicht mehr nötig.
Unser erstes Ziel an diesem Tag war die Stabkirche in Røldal. Sie wurde um das Jahr 1250 gebaut; die erste schriftliche Erwähnung fand im Jahr 1462 statt.
Von außen eher unscheinbar befinden sich im Inneren Rosenmalereien und ein Kruzifix, dem Heilkräfte zugeschrieben wurden. Die Kirche war ab dem 13. Jahrhundert eine der bekanntesten Wallfahrtskirchen in Norwegen. Besonders zu Sankt Hans (Mittsommerfest, das in Norwegen in der Nacht auf den 24. Juni gefeiert wird) gab es einen großen Strom an Pilgern. An diesem Tag begann der Legende nach das Kruzifix zu schwitzen und löste dabei eine besonders starke, heilende Wirkung aus. Erst später stellte sich heraus, dass das Schwitzen durch die hohe Luftfeuchtigkeit der Atemluft der vielen anwesenden Pilger ausgelöst wurde.
Von den ehemals etwa 750 Stabkirchen gibt es heute nur noch 30 echte Stabkirchen. 28 davon stehen in Norwegen, eine in Schweden und eine in Polen.
Und dann ging es hinein ins „Fahrvergnügen“. Statt die extra neu geschaffene Straße zu nutzen, die durch den Tunnel führt und damit die alte „Serpentinenstrecke“ über die Anhöhe einzusparen haben wir uns natürlich für diese schöne „alte“ Strecke entschieden. Dazu noch die immer mehr herauskommende Sonne, was wollten wir mehr. Wir hatten jetzt ja auch fast 1 Woche auf den Sommer in Norwegen warten müssen. Es kamen fast südländische, mediterane Gefühle auf. Mit einem einzigen Unterschied – wir waren fast alleine, was einem in Frankreich, Italien oder der Schweiz nicht passiert, außer man reist im Mai in die Schweizer Alpen. Ganz anders dann das Bild am bekannten Wasserfall Latevossen.
Nahm der Verkehr zu, der uns entgegenkam, so kündete sich meist ein Parkplatz an, der gut gefüllt war. Als PKW-Fahrer, erst recht als Wohnmobilist, die es hier zu hunderten auf Norwegens Straßen und Plätzen gab, keine Chance, aber als Biker findest du ja immer ein Plätzchen. Und dann war natürlich dieser Wasserfall nicht nur verkehrstechnisch erschlossen, sondern auch das Touristikgewerbe hat seine Chance entdeckt. Hier konnte sich mit allem möglichen eingedeckt werden, was Norwegen zu bieten hat, vom Elch bis zur Nordkap-Weltkugel.
Doch zurück zum Wasserfall – der Latevossen ist 165 m hoch und teilt sich hier. Anschließend kommen die gesamten Wassermassen wieder zusammen. So besteht der Latevossen eigentlich aus zwei Wasserfällen und von daher ist er ein Zwillingswasserfall. Um uns herum ist alles nass von der aufschäumenden Gischt.
Bevor wir heute allerdings auch ohne Regen mal wieder ganz durchnässt werden setzen wir uns lieber wieder auf unsere Bikes und setzen unsere Fahrt fort. Das nächstes Ziel ist der Folgefonna Gletscher, der südlichste und mit 214 km² der drittgrößte Gletscher Norwegens.
Er ist jedoch kein Überbleibsel aus der Eiszeit sondern mit seinen knapp 2.500 Jahren noch recht jung. Während einer Periode niedriger Temperaturen und vermehrten Niederschlägen hat er sich neu gebildet.
Unterwegs aber, auf der anderen Seite des Fjords, ein weiterer Wasserfall, der in den Hardangerfjord stürzt. Der Hardangerfjord gehört mit seiner Länge von rd. 170 Kilometern zu den längsten Fjorden Norwegens.
Bis an den Gletscher heranfahren ist nicht möglich, aber es gibt bei Buar (7 km südlich von Odda) einen Wanderpfad, der zu einem seiner drei Ausläufer oder
Gletscherzungen, dem Buarbreen, heranführt. Dazu müssten wir jedoch nicht
nur anderes Schuhwerk anziehen, sondern uns ebenfalls unserer Motorradkleidung entledigen. Und auf eine richtige Gletscherwanderung waren wir bei diesem Wetter in keiner Weise eingestellt oder gar eingestimmt. Wir fuhren also nur bis zum Ende der Fahrstraße, an der sich dann auch ein Parkplatz befindet. Irgendwie konnten wir uns nicht des Eindruckes erwehren, dass auch für viele andere heute eher andere Dinge auf dem Programm stehen als eine Gletscherwanderung. Selbst von diesem Parkplatz aus wäre es noch 1 ½ Stunden Fußweg gewesen, um an den Rand des Gletschers zu gelangen. Und mehr wie mit dem Tele vor die Linse geholt wäre dort auch nicht zu sehen gewesen. Also genossen wir auf diesem Parkplatz die Ansicht mit der Kamera und überlegten, wie wir den weiteren Tag verbringen werden. Das nächste Ziel sollte jetzt die alte Industriestadt Odda sein, in der wir uns dann auch ein wenig Zeit für eine kleine Mittagspause nehmen wollten.
Odda selbst hat es jedoch „hinter sich“, von der einst blühenden Zeit dieser Stadt ist nicht viel übrig. Ziemlich herunter gekommen und einfach sieht es hier aus, auch die Menschen, die auf der Straße anzutreffen sind, haben sich diesem Erscheinungsbild angepasst. Für uns passt dieses Odda jedoch überhaupt nicht nach Norwegen, so wie wir dieses Land jetzt schon eine Woche lang gesehen und erlebt haben. Es würde eher nach Belgien (Verviers) oder auch ins Ruhrgebiet passen. Man nutzte die Wasserkraft des nahen Tyssefossen und siedelte massiv Industrie an: Karbid, Kadmium, Schwefelsäure und Zink wurden verarbeitet mit all ihren Folgen – Glas und vor allem Beton und viele Schlote prägen neben Bergen von hässlicher Schlacke das Erscheinungsbild in und um Odda.
Also machten wir hier in einem Park unsere Mittagspause, nachdem wir uns zuvor noch mit Brot, Käse und Wurst versorgt hatten.
Danach ging es weiter, an der einen Seite des Eidfjords bis zu dessen Ende. Wir sahen dabei Obstplantagen an den „Uferböschungen“ oder auch Fjordhängen, die wir hier nie vermutet hätten, selbstverständlich auch mit dem entsprechenden offenen Straßenverkauf. Und welch ein Kontrast, vorne, auf unsere Fjordseite die Obstbäume, auf der anderen Seite des Fjords auf den Spitzen, die immerhin 1.300 m hoch sind, Schnee und Eis.
Da das Wetter bis jetzt „gehalten“ hat riskieren wir mal wieder eine Übernachtung im Zelt. Beim Aufbau müssen wir jedoch feststellen, dass der Boden am Ende seiner Aufnahmefähigkeit ist. Rundherum ist er richtig feucht, bei jedem Schritt den wir machen versinken wir ein wenig in der Grasnarbe. Ansonsten liegt der Campingplatz in Eidfjord liegt direkt am Ende des Fjords, am Wasser. Dass uns dieser Umstand noch eine Überraschung beschert konnten wir dann am nächsten Tag noch erleben.
Doch kaum war das Zelt aufgebaut begann es auch schon wieder zu regnen. Als Entschädigung dafür beschlossen wir, uns ein wenig Stadtfein zu machen und Essen zu gehen. Das verbanden wir mit einem kleinen Schaufensterbummel, aber auch einem kurzen Blick in die Touristeninformation.
Gerade dieser letzte Blick macht uns eigentlich Lust auf mehr, also ein paar Tage verweilen hier in Eidfjord.