August 2002
Auf dem Weg nach Osten
Im Juni waren wir wieder gemeinsam mit Freunden unterwegs. Diesmal in der Toskana. Natürlich hatten wir auch wieder unsere Motorräder dabei, allerdings auf einem Motorradtrailer und haben sowohl die An- und Abfahrt als auch die Zeit vor Ort in der Toskana genossen. Vor allem die Anreise, gemütlich im Auto sitzend, sich unterhalten können, … das ist schon etwas anderes.
Für den zweiten Urlaub in diesem Jahr zog es uns diesmal in den Osten Europas. Im Jahr zuvor hatten wir in Slowenien „Blut geleckt“, sowohl was eben Osteuropa aber auch das Kanufahren betrifft.
Also machten wir uns im August auf den Weg in den Osten. Oben auf dem Dach lag unser Kajak, am Haken hing unser alter Wohnwagen, in ihm auch noch unsere beiden Fahrräder. Ziel war diesmal Polen, genauer Masuren.
Grob hatten wir uns vorgenommen im ersten und letzten Drittel zu paddeln und dazwischen, verbunden eben auch mit einem Regionen Wechsel, die eine oder andere Tour mit unseren Fahrrädern zu machen. Gerade vom Wasser aus soll die ganze Schönheit Masurens als auch seiner angrenzenden Regionen erst so richtig zu erschließen und genießen sein.
Zuerst einmal quer durch Deutschland, vom äußersten Westen in den Osten. Kurz vor der Grenze bei Frankfurt noch eine Übernachtung im Heimatland bevor wir dann am nächsten Tag die Grenze überschritten. Damals noch mit einer Warteschlange als auch anhalten beim polnischen Grenzer. Er warf nur einen Blick ins Auto, den Wohnwagen von innen wollte er nicht sehen.
Während unser Puls wegen des doch ruhigen und unspektakulären Grenzübertritts eigentlich absinken konnte sorgten die vielen LKWs und die wirklich miserable Straße jedoch dafür, dass er etwas erhöht blieb. Wir sahen also zu, dass wir so schnell wie möglich diese Haupttransitroute verlassen und eher gemütliche kleinere Straßen nutzen. Teilweise waren es schnurgerade, aber herrliche Alleen. Wobei die Straßendecke auf diesen Straßen noch ein bisschen schlechter war und die Stoßdämpfer Schwerstarbeit verrichten mussten. Die Fahrt erinnert mich immer an Alfred Zerbans „Marterstrecke“, die in den siebziger Jahren jeden Samstag Teil der Hörfunksendung „Freie Fahrt ins Wochenend“ auf WDR 2 war. Auf einer Buckelpiste in der Wahner Heide testete er die Tauglichkeit von Autos. Am Ende des Beitrags erfolgte dann immer seine ebenfalls legendäre Mahnung: „Fahren Sie bitte Vorsichtig – immer!“
Was auf jeden Fall auf diesen abseits der Transitroute gelegenen Straßen jedoch fehlte waren die wahnsinnigen Spurrillen, die die LKWs produzierten und die eben nicht der Spurbreite unseres Gespanns entsprach.
Die Ordensburg Marienburg in Malbork
Auf dem Weg nach Masuren, unserem ersten groben Ziel für den Einsatz unseres Kajaks ins Wasser, hielten wir unterwegs in Malbork, etwa 60 km südöstlich von Danzig, an. Genauer, wir schauten uns die ganz in der Nähe liegende Ordensburg Marienburg an. Diese riesige Burganlage, die die größte Backsteinanlage und mächtigste mittelalterliche Festung Europas darstellt, liegt direkt an der Nogat, die in die Weichsel fließt.
Die Burg wurde Ende des 13. Jahrhunderts gebaut und durchfuhr eine interessante Geschichte. Errichtet wurde sie zunächst als Festung vom Deutschherrenorden, der damit die eroberten Gebiete seiner Ostexpansion absicherte. Zeitgleich konnte dieser Orden allerdings seine Festungen im Heiligen Land nicht weiter behaupten und verlor sie.
Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Marienburg an den polnischen König verkauft. Im dreißigjährigen Krieg besetzten die Schweden die Burg, bevor sie dann Ende des 18. Jahrhunderts an das Königreich Preußen fiel. Unter Kaiser Wilhelm II. war sie eine seiner Pfalzen und wurde immer wieder restauriert. War sie im ersten Weltkrieg der Sitz des Oberkommandos, so nutzten die Nationalsozialisten sie ausschließlich als Ort für ihre Feierlichkeiten und Aufmärsche. Geplant war, sie zur Ordensburg zu machen, doch dazu kam es nicht mehr. Der Zweite Weltkrieg führte zu großen Schäden. Polen versucht sie seitdem wieder aufzubauen. Seit 1997 ist sie Weltkulturerbe der UNESCO.
Viele Gebäude und deren Räume sind zu besichtigen und geben uns eine Vorstellung von der gesamten Größe dieser Anlage.
Allerdings zeigt die Marienkirche auch heute noch deutlich die Spuren der Zerstörung.
Obwohl sie ziemlich baufällig aussieht ist sie jedoch für die Öffentlichkeit geöffnet. Man hat nur Sicherungen gegen den weiteren Verfall und vor allem natürlich gegen den Einsturz vorgenommen.
Schiffe auf Schienenwegen
Nicht weit von dieser Burg entfernt, etwas weiter östlich, stoßen wir auf den Oberländischen Kanal. Dieser fast 130 km lange Kanal verläuft in Nord-Süd-Richtung und verbindet die Masurischen Seen mit dem Frischen Haff und damit der Ostsee.
Mit einem einzigartigen System wird hier der Wasserspiegelunterschied von 100 Metern zwischen Elblag und Ostróda überwunden, nämlich mit Schiffen auf Schienen. Fünf geneigte Ebenen gleichen zusammen mit zwei Schleusen diesen Höhenunterschied aus, wofür sonst mindestens 20 bis 30 Schleusen notwendig gewesen wären. Schleusen okay, die kannte ich ja, auch ein Schiffshebewerk, aber schiefe Ebenen?
Auf diesem 1860 in Betrieb genommenen Elblag Kanal wurden diese in Europa einmaligen „Rollberge“ präsentiert. Zuvor hatte der damalige königliche Baurat Steenke auf einer USA Reise dort auf dem Morriskanal geneigte Ebenen gesehen, auf denen Schiffe auf Wagen transportiert wurden. Diese Idee setzte er dann beim Bau des Elblag Kanals um. Dabei werden die Schiffe auf Loren gesetzt und über das Land den Berg hinauf gezogen. Das besondere an diesen Anlagen jedoch ist gleichfalls der Antrieb. Vier dieser Seilbahnen werden ausschließlich durch Wasserräder und ohne Strom angetrieben. Der fünfte und jüngste Rollberg Neu-Kussfeld verfügt über einen elektrischen Antrieb, deren Strom jedoch die „hauseigene“ Wasserturbine produziert.
Mit dem Anschluss Ostpreußens an das sich schnellausbreitende Eisenbahnnetz verlor der Kanal jedoch bald seine wirtschaftliche Bedeutung. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war er das, was er noch heute ist: eine Attraktion für Touristen.
Erste Kajaktour auf der Krutynia
Doch jetzt hieß es endlich Kajak wässern und unsere erste Tour starten. Auf der Krutynia, eine der beiden bestimmt schönsten Kajakrouten Polens, wollten wir unsere erste Paddeltour erleben. Nachdem wir sämtliche Nächte zuvor immer auf Campingplätzen unser Nachtlager aufgeschlagen hatten, eben mit allem Komfort wie Toiletten, fließendem Wasser und auch Strom musste jetzt kontrolliert und sparsam gepackt werden, denn in so einem Kajak ist bekanntlich ja nicht viel Platz.
Eine Nacht verbrachten wir auch auf einem Campingplatz ohne 220 Volt, denn die Stromanschlüsse dort waren nicht die uns sonst bekannten CEE Anschlüsse. Da musste ich erst eine Verbindung bzw. einen entsprechenden Adapter zusammen bauen, nachdem wir uns das entsprechende Material gekauft hatten. Das wird jetzt in den nächsten Tagen auch auf uns zukommen, denn wir werden die meisten dieser Nächte in unserem kleinen Zwei-Personen-Zelt verbringen.
Und Polen, was macht man da mit seinem Auto, mit seinem Wohnwagen, wenn man auf eine mehrtägige Paddeltour geht? Freunde von uns, sie ist Polin, gaben uns vor der Reise etliche Ratschläge, unter anderem eben auch zu unserem Gespann. „Bewachter Parkplatz oder bei einem Bauern fragen“ rieten sie uns.
Wir nahmen in Sorkwity einen speziell für Kanuwanderer ausgewiesenen Parkplatz, die es hier entlang der Krutynia zahlreich gab. Die meisten davon sind der Touristikorganisation PTTK angeschlossen. Diese Parkplätze sind häufig eingezäunt und vermitteln damit immerhin schon ein gewisses Sicherheitsgefühl. Vielfach sind an ihnen auch noch einfache Übernachtungsplätze angeschlossen, an denen außerdem Kajaks ausgeliehen werden können.
Ein Fahrrad hatten wir am Ziel unserer Tour in Nikolaiken abgestellt, um von dort zurück zu radeln und dann Auto und Wohnwagen nach zu holen. Wenn man alleine unterwegs ist ist diese Aktion des Zusammenführens logistisch immer ein wenig aufwändiger.
Die von uns ausgesuchte Wasserwanderstrecke führt sowohl auf der Krutynia als auch durch über etliche kleinere und größere Seen, auf denen manchmal die Windeinflüsse zu beachten sind. Ansonsten sorgt eine leichte Strömung für ausgeruhtes und angenehmes Paddeln, was manchmal jedoch in der Nähe von kleineren Städten zu einem höheren Paddleraufkommen führt. Häufig sind dann auch ungeübte dabei, vor denen man sich dann auch einmal in Acht nehmen muss.
Der größte Teil dieser Strecke war davon gekennzeichnet, dass wir ständig in geschützter Natur unterwegs waren. Und geschützt heißt, dass der Mensch hier nicht eingreift. Umgestürzte Bäume bleiben einfach liegen. Nur dort, wo es aus Sicherheitsgründen notwendig ist, wird ein Teil des Stammes entfernt um zum Beispiel den Fluss wieder freizugeben.
Das liest sich bzw. hört sich ja einmal ganz vernünftig und schön an, doch es gibt auch Stellen, an denen der Mensch nicht mehr eingreift, die mit anderen Dingen wie Straßen oder den dazugehörigen alten Brücken zu tun haben. Häufig sahen wir also Reste derartiger Bauwerke und wir waren jedes Mal froh, wenn wir sie passiert hatten ohne dass sie über uns einstürzten.
Das Paddeln selbst war eine richtige Erholung. Zumeist ließen wir uns von der vorhandenen Strömung langsam treiben. Dabei war dann ausreichend Zeit, um den Blick in die Natur zu genießen. Ruhe pur. Ab und zu mussten einmal ein paar Paddelschläge gemacht werden um unser Kajak trotz der vorhandenen Steuerung wieder „auf Kurs“ zu bringen.
Insgesamt führte die Krutynia jedoch, auch wegen des trockenen Sommers in diesem Jahr, sehr wenig Wasser. Wir waren froh, kein Faltboot zu haben, sodass wir häufig auch mit unserem Boot über Kies, Sand, aber auch schon einmal Gestein „rutschen“ konnten. Wenn es zu heftig wurde half eben alles nichts und wir mussten dann auch schon einmal aussteigen und unser Kajak schleppen.
Eine Herausforderung kam immer dann, wenn wir mal wieder einen der vielen Seen durchfahren mussten. Vor allem wenn der See größer war. Es fehlte die Strömung, die für den entsprechenden Antrieb sorgte, manchmal kam auch noch Wind auf, und wenn er von vorne kam hatten wir das Gefühl kräftig gegen diesen Wind paddeln zu müssen. Während du auf einem Fluss noch deine eigene Bewegung, dein Fortkommen am langsam vorbeiziehenden Ufer festmachen kannst fehlen dir auf einem See derartige Anhaltspunkte. Vor allem wenn du direkt voraus schaust hast du das Gefühl, dem Ende des Sees überhaupt nicht näher zu kommen.
Spannend war dann weiterhin auch die Ausfahrt aus manchem See. Entweder war der weitere Verlauf der Kanuwanderstrecke überhaupt nicht markiert oder aber das entsprechende Schild war vom am Ufer stehenden Schilf überwuchert worden. Nicht immer sah es so eindeutig aus wie hier, obwohl sich auch solche scheinbaren Ausgänge manchmal als Sackgasse entpuppten.
Gegen Abend begann dann jeweils unsere Suche nach einem passenden und brauchbaren Übernachtungsplatz. Auch wenn wir davon gelesen hatten, dass es an vielen Stellen entlang dieser Wasserwanderroute auf der Krutynia ausgewiesene Plätze und teilweise sogar Stationen des PTTK geben soll haben wir sie entweder übersehen oder aber es war uns noch zu früh um unser Zelt aufzuschlagen.
So machten wir auch häufig an einem Platz Halt, den zuvor auch schon viele andere Kanuten für ihr Nachtlager genutzt hatten. Zu erkennen war dies nicht am herumliegenden Abfall, den wir so gut wie überhaupt nicht auf dieser Tour angetroffen haben sondern an niederliegendem Gras, das danach aussah, dass hier ein Zelt aufgebaut war, oder eben auch an der ein und anderen Feuerstelle.
Diese nutzten wir dann gleichfalls ohne eben einen neuen Feuerplatz einzurichten. Zumeist diente das Feuer dann auch dazu, uns ein oder auch mehrere Würstchen zu grillen, die wir auf dünnen Ästen aufspießten und über das Feuer hielten, so wie wir es früher getan haben, wenn wir bei den Pfadfindern mit unseren Jugendgruppen unterwegs waren.
Einzig mit unserem Trinkwasser mussten wir sparsam umgehen, denn auf keinem unserer Übernachtungsplätze, auch nicht auf den speziell dafür vorgesehenen und ausgeschilderten, gab es entsprechende Wasseranschlüsse bzw. Versorgungsstellen mit frischem Trinkwasser. Ansosnten hatten wir ja um uns herum Wasser genug.
Häufig verbrachten wir unsere Abende damit, draußen vor dem Zelt und eben meistens am offenen Feuer zu sitzen, unseren Blick schweifen zu lassen und dabei dann diese Ruhe zu genießen. Vor allem wenn wir am Ufer eines Sees übernachteten.
Manchmal wurde uns jedoch auch „Programm geboten“, wie hier zum Beispiel. Zwei andere Kanuten versuchten sich im Angeln, wobei wir das Gefühl hatten, dass es sich nicht um professionelle Angler handelte. Eigentlich waren sie mehr damit beschäftigt, ihre sich mit einander verhedderten Angelschnüre zu entwirren als den auf jeden Fall vorhandenen Fischen zu Leibe zu rücken. Pech für die beiden aber umso mehr Glück für die Fische.
Morgens dann immer wieder das gleiche Ritual: Alles zusammen packen und dann irgendwie in und auf unserem Kajak unterbringen. Wobei es sich hier ja richtig einfach gestaltet, da das Boot nicht im Wasser liegt und alles in Ruhe an Land erfolgen kann.
Die meiste Zeit auf dem Wasser waren wir alleine unterwegs. Weder sahen wir vor uns Wasserwanderer, die langsamer unterwegs waren noch schlossen andere von hinten auf, da wir es wirklich absolut entspannt und gemütlich angehen ließen.
Das änderte sich allerdings als wir in die Nähe des Dorfes Krutyn kamen. Sicher, es gibt keine Schilder, auch keine Ortseingangsschilder, aber plötzlich wurde es voller auf der Krutynia. Immer wieder kamen uns Einzelpaddler, aber auch richtige Gruppen entgegen, zumeist auch mit dem gewissen Lärmpegel der offenbar Ausdruck ihres Spaßes war, den sie auf jeden Fall hatten. Beim Blick auf und in diese Boote konnten wir auch kein Gepäck erkennen sodass wir ziemlich sicher waren, dass es sich um Tagesausflügler gehandelt hat.
Auch wir nutzten die Chance und legten an. Es war eine gemütliche Gaststätte direkt am Ufer, die uns quasi dazu einlud, heute mal wieder so richtig mit Messer und Gabel zu essen als auch ein frisches polnisches Pivo zu trinken.
Danach ging es weiter, immer noch begleitet von etlichen anderen Booten, die uns jetzt zumeist aber entgegen kamen und vermuten ließen, dass sie auf der Rückfahrt waren. Die Strömung auf der Krutynia lässt ein stromaufwärtspaddeln problemlos oder besser ohne große Kraftanstrengung auch zu.
Hatten wir bisher relativ wenig Vögel gesehen so versammelte sich plötzlich eine Schwanenfamilie an unserem Rastplatz. Und das genau zu dem Zeitpunkt als wir wieder ins Boot wollten um weiter zu fahren. Versuche, sich dem Boot zu nähern erwiderten die beiden Schwaneneltern mit einem Zischen und Fauchen. Wir hatten wenig Interesse auf einen Schwanenbiss und so ließen wir sie gewähren. Wir hatten ja Zeit.
An einer anderen Stelle nahm gerade die Rinderherde ihr wöchentliches oder gar tägliches Bad. Und obwohl diese Tiere im Vergleich zu den Schwänen ja riesig sind bereitete uns das keine Sorgen. Vielmehr ließen wir uns ganz langsam an ihnen vorbei treiben um zu sehen, ob sie nur trinken oder gar ein Bad nehmen. Heiß genug war es ja schon die ganzen letzten Tage. Wir sahen auch mal wieder ein einsames Haus oder sogar Gehöft, nachdem wir schon lange Zeit nichts mehr von menschlichen Ansiedlungen bemerkt haben.
Kurz vor Nikolaiken tauchte plötzlich ein größeres, direkt am Ufer gelegenes Haus auf. Schilder am Ufer wiesen darauf hin, dass es sich hier um ein Privatgrundstück handelt und das Betreten des Ufers als auch des Grundstückes strengstens verboten sein. Sicher, irgendwann hatte ich zuvor einen Zaun bemerkt, der bis in die Krutynia hinein ging, dachte aber eher an einen Weidezaun obwohl ich keine Rinder gesehen hatte.
Nikolaiken erreichten wir gegen Mittag, und die ganze Ruhe und Gelassenheit der letzten Tage war vorbei. Nicht nur auf dem Wasser sondern auch in dem Städtchen selbst herrschte Hochbetrieb. Da wir nicht darauf standen sahen wir zu, etwas außerhalb anzulegen und ich machte mich per Rad auf den Weg zu unserem Auto.
Paddelpause und dafür Radtouren
Nach diesem ersten Drittel, dass wir ja überwiegend paddelnd und nur mit dem Nötigsten versehen auf dem Wasser verbracht hatten, legten wir ein paar Tage Paddelpause ein und erkundeten jetzt mit unseren Fahrrädern die Landschaft in diesem Teil Polens. Häufig führten uns unsere Radrouten dabei auch durch Sumpfgebiete, die jedoch allesamt ziemlich trostlos aussahen. Der Gedanke, von den Wegen abzuweichen, kommt einem dabei überhaupt nicht.
Nicht dass jetzt hier der Eindruck entsteht, Masuren oder auch das Ermland besteht nur aus Wasser und Morast, nein, es gab auch schöne und vor allem sehr viel Landschaft.
Ansonsten genossen wir neben der Erholung für unsere Arme natürlich auch den Luxus, den uns unser Wohnwagen bietet, und sei es nur das andere Schlafgefühl oder auch die Möglichkeit, beim Frühstück an einem Tisch zu sitzen. Am Sonntag, als wir am Spätnachmittag gemütlich vor unserem Wagen saßen bekamen wir mit, dass Papst Johannes Paul II. in Polen war. Auf unserem Campingplatz konnten wir der Messe aus Krakau zuhören, die, unter reger Anteilnahme der Bevölkerung, irgendwo in der Nähe des Campingplatzes übertragen wurde.
Bevor wir ans „Paddeln Teil 2“ auf der Czarna Hancza und den Augustov Kanal gehen, hatten wir uns vorgenommen, auf jeden Fall bei Rastenburg das ehemalige Führerhauptquartier, die Wolfsschanze, anzusehen.
Sie lag von unserem Standort nicht weit entfernt, sodass wir sie bei einer weiteren Radtour erreichen konnten.
Die Wolfsschanze
Ein ziemlich bekanntes Relikt aus den Zeiten des zweiten Weltkriegs ist die Wolfsschanze in Görlitz bei Rastenburg. Nicht zuletzt auch durch das Attentat von Claus Schenk Graf von Staufenberg am 20. Juli 1944 auf Hitler. Als Staufenberg damals das Quartier verließ war er davon überzeugt, dass Hitler bei der Explosion ums Leben gekommen sei. Es ist jedoch anders gekommen, Hitler wurde nur leicht verletzt. Noch in derselben Nacht wurde Staufenberg zusammen mit drei anderen beteiligten Offizieren in Berlin durch Erschießung hingerichtet.
Im Sommer 1940 begann der Bau von Hitlers Hauptquartier „Wolfsschanze“. Sie war eins von zwölf Hauptquartieren, die Hitler bauen ließ. Das FHQ „Werwolf“ lag noch weiter im Osten, nämlich bei Winniza in der Ukraine. Alle anderen, so z.B. bekannte wie die Reichskanzlei in Berlin, das Felsennest in der Eifel oder auch der Obersalzberg in den Bayrischen Alpen lagen westlicher.
Man wählte diese Stelle, da die geographische Lage und die Beschaffenheit der Landschaft mit ihren Wäldern, Seen und Sümpfen schon eine natürliche Sicherung gegen Osten bildeten. Auf einer Fläche von über 2,5 km² wurden fast 100 Objekte errichtet, die wir uns auf einem gut ausgeschilderten Rundgang anschauen. Darunter sind massive Schutzräume mit doppelten Wänden (teilweise bis zu acht Metern stark) und Decken, die teilweise bis zu 10 Metern dick waren.
Auch wenn es an oder auch in vielen Ruinen nicht ganz ungefährlich war, verboten war es auf jeden Fall nicht, bei unserer Erkundung auch in als auch auf alte Anlagenreste hinauf zu steigen.
Das gesamte Areal verfügte über fast alles. Eine eigene Trink- als auch Abwasserversorgung, eine eigene Stromerzeugung, sollte die Versorgung von Außerhalb einmal unterbrochen werden, sogar einen eigenen Reserveflugplatz neben dem sowieso in 5 km Entfernung vorhandenen in Rastenburg.
Als sich Ende 1944 die Situation an der Ostfront verschlechterte verließ Hitler im November die Wolfsschanze und zog einschließlich des Oberkommandos der Wehrmacht nach Berlin um. Alle Dokumente und die wichtigsten Anlagen wurden weggeschafft und gemäß der Strategie der „verbrannten Erde“ sprengten deutsche Pioniere Ende Januar 1945 die Wolfsschanze.
Fast zehn Jahre brauchte man für die Entminung der Felder und Wälder rings um die Anlage herum, bevor das Gebiet 1956 der Verwaltungsbehörde übergeben wurde und seit 1959 der Allgemeinheit für die Besichtigung zugänglich ist.
Zweite Kajaktour auf dem Czarna Hancza Kanal
Unsere zweite, ebenfalls mehrtägige Tour führte uns in den äußersten Nordosten Polens, in den Wigry-Nationalpark und dort auf die Czarna Hancza. Sowohl diese als auch die Krutynia streiten um den Titel der schönsten Paddelrouten Polens. Zum Abschluss werden wir es beurteilen können und evtl. den Sieger dieses Wettstreites selbst erpaddelt haben.
Wir setzten unser Boot in dem hier wirklich noch sehr kleinem Flüsschen hinter der PTTK-Station Stary Folwark ein, das dann mit zunehmenden Kilometern breiter wird. Aber es war sehr flach sodass wir wieder einmal häufiger über den Grund rutschten.
Das Wasser, absolut glasklar, sodass wir selbst die vielen Fische ganz deutlich sehen konnten. Unterwegs trafen wir dann auf zwei Menschen, die ohne Boot unterwegs waren. Ja richtig, ohne Kajak, und das auf oder besser müsste ich sagen in der Czarna Hancza. So etwas hatten wir zuvor auch noch nicht gesehen. Angezogen mit einem Taucheranzug schoben sie ihr Hab und Gut auf einem Luftkissen vor sich her. Wasserwanderer im wahrsten Sinne des Wortes. Was es nicht alles gibt.
Wir paddeln durch die dichten Wälder des Wigry-Nationalparks, durch Auenlandschaften. Weit und breit sind keine Ansiedlungen zu sehen. Aber wir treffen immer wieder auf Schwäne, vor denen wir großen Respekt haben. Gerade ihr langer Hals, mit dem sie blitzschnell vorschießen können, ist uns nicht so ganz geheuer. Teilweise blähten sie sich auf, vor allem wenn sie ihre Familie ausführten und somit ihren Nachwuchs dabei hatten.
Übernachtet haben wir überwiegend auf scheinbaren Anlegeplätzen, die es hier zahlreich gibt. Ab und zu kam dann auch mal ein Bauer, wer weiß wo er herkam, und verlangte eine kleine Gebühr von vier Zloty, das waren damals umgerechnet 1 EUR. Er wies uns auf ein Plumsklo hin, das nicht sofort zu sehen war als auch auf eine Wasserzapfstelle. Natürlich hat er uns dann auch noch frische Milch angeboten.
Ein anderes Mal kam ein Mädchen mit einem Korb. Auch da fragten wir uns wo sie plötzlich herkam. Sie bot uns frisch gebackene Heidelbeerpfannkuchen an die wahnsinnig lecker waren.
Als sich unsere Vorräte mal wieder dem Ende zuneigten, hielten wir an einer Brücke an. Sie sah so vertrauenserweckend aus, dass sie wohl noch von Fahrzeugen genutzt wird. Also machte ich mich auf den Weg, um zu einem Dorf zu gehen, das wir irgendwie auf unserer Karte entdeckt hatten. Natürlich in der Hoffnung, dass es dort ein Lebensmittelgeschäft gibt. Bestimmt bin ich fast eine Stunde auf dieser „Sandpiste“ gelaufen bis ich zu diesem Dorf kam. Unterwegs hatte ich keine weitere Menschenseele gesehen, auch kein Auto. In dem Geschäft begann dann mein Einkaufserlebnis. Es war kein Supermarkt, wo ich an einzelnen Regalen vorbei gehen und meine Waren nehmen konnte, sondern ich musste mich irgendwie verständlich machen, was ich denn benötigte. Mit Händen und Füssen gelang es mir dann, Wurst, Käse und Brot zu „erklären“. Ja okay, beim Pivo gab es natürlich keine Probleme.
Monika wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ich so lange unterwegs sein würde. Sie meinte, dass es bestimmt zwei Stunden waren, die sie hier alleine gesessen und auf meine Rückkehr gewartet hätte. In dieser ganzen Zeit wäre noch nicht einmal ein Kajak die Czarna Hancza herunter gekommen.
Irgendwann mussten wir in den Augustowski-Kanal abzweigen. Die Einfahrt in diesen Kanal ist leicht zu übersehen, da das Schilf hier sehr schnell alles zu wuchert, auch mögliche Beschilderungen. Eine Weiterfahrt auf der Czarna Hancza ist nicht möglich, da sie wenig später auf weißrussischem Gebiet weiterfließt. Einen offiziellen Grenzübergang gibt es hier nicht und eine illegale Grenzüberschreitung würde nur zu Problemen führen.
Dieser Kanal, der auch durch etliche Seen und kanalisierte Flüsse führt, wurde Anfang des 19. Jahrhundert gebaut, nachdem Preußen ungewöhnlich hohe Zollgebühren für den Transit polnischer Waren verlangte. Mit ihm werden Weichsel und Memel verbunden. Wirtschaftlich genutzt wird er seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht mehr, seitdem Polen wieder unmittelbaren Zugang zur Ostsee hat. Für den Tourismus ist er jedoch umso bedeutsamer geworden.
Auf der Czarna Hancza hatten wir bis jetzt keine Schleusen passieren müssen. Das änderte sich jetzt allerdings. Mehrere alte, wirklich sehr alte Schleusen, mussten wir nun benutzen, die den Höhenunterschied ausgleichen. Alle stammen sie noch aus dem 19. Jahrhundert, als der Kanal gebaut wurde. Was wir auch feststellten war dass der Augustowski-Kanal wesentlich stärker benutzt wird. Haben wir auf der Czarna Hancza so gut wie keine anderen Kanuten gesehen so trafen wir jetzt beim Schleusen immer wieder welche an. Und beim Blick in deren Boote war auch sehr schnell festzustellen, dass es sich hierbei nicht um Tagesausflügler handelte. Auch sie waren gut bepackt.
Die Schleusentore selbst waren alle aus Holz und es war ihnen das Alter gut anzusehen. Und die Schleusenwärter, die uns für einen geringen Betrag von 2 – 3 Zloty schleusten, taten es mit einer Geschwindigkeit, die Akkordarbeit vermuten ließ. Kein sachtes befüllen, wie wir es sonst kannten, sondern die Schotten wurde gleich komplett aufgefahren, sodass einem schon Angst und Bange werden konnte. Die Paniewo Schleuse ist dabei die mächtigste, die mit zwei Kammern dabei eine Höhe von fast 7 Metern überwindet. Dafür braucht man hier jedoch auch Zeit, rund eine halbe Stunde dauert dieser Schleusengang.
Wir mussten uns aufwärts schleusen lassen – was somit heißt, dass wir flussaufwärts fahren. Aber das war auf dem Kanal, der nur eine fast unmerkliche Strömung aufwies, problemlos möglich.
Hier auf dem Kanal waren dann auch Versuche zu sehen, aus ihm und möglichen Touristen mehr heraus zu holen. Ob es sich bei diesem Umbau jedoch um eine Ruine handelt oder um einen Wochenendausbau war uns nicht ersichtlich.
Nicht überall mäanderte der Kanal durch die Landschaft. Es gab auch unzählige Abschnitte, die über – waren es jetzt Kilometer – schnurgeradeaus verliefen. Dieses Teilstück ist, ich hab’s in der Karte dann nachgeschaut, 3,5 km lang und schnurgerade. Selbst das Ende war kaum zu sehen, wie auf dem Reißbrett entstanden, eben ein Kanal.
Dafür an anderen Stellen wieder fast unberührt. Natur pur, selbst in Ufernähe konnten wir an einer Ansammlung von Kormoranen vorbei paddeln ohne dass sie sich alle gleichzeitig aufschwangen und wegflogen. Sie ließen sich von uns überhaupt nicht stören. Graureiher, Eisvögel oder gar Seeadler, die es hier auch geben soll, haben wir allerdings nicht zu Gesicht bekommen, auch wenn wir nach ihnen Ausschau hielten. Ebenso Biber, wohl aber deren großen Bauten, an denen wir oftmals vorbei gekommen sind.
Kurz vorm Ende unserer wirklich herrlichen Paddeltour auf der Czarna Hancza und dem Augustowski-Kanal kamen wir dann noch an einer Schleuse an, wo wir von unten nur Menschenköpfe über dem Schleusentor hervorschauen sahen. Dafür aber eine Unmenge.
Unser erster Gedanke, den wir fast gleichzeitig hatten, war: Cap Anamur, ein Flüchtlingsschiff ist hier gestrandet. Nein, es war „nur“ ein Ausflugsschiff. Dicht gedrängt standen die Menschen an der Reling und waren wohl begeistert von ihrer Schleusung. Die Schleuse Przewiez „verbindet“ die beiden Seen Biale Augustowskie und Studzieniczne.
Hier endete dann auch unsere zweite Kajaktour. Nachdem wir an einer ruhigen Stelle das Boot aus dem Wasser des Sees gezogen und uns ein wenig umgezogen hatten lies ich Monika zurück und machte mich auf den Weg zum Bahnhof.
Fahrplan studieren, Fahrkarte lösen und dann ellenlanges warten, bis mein Zug endlich kam. Nun hoffte ich noch, dass ich den richtigen Bahnhof auch finde bevor ich zu weit fahre. Aber wieder einmal ging alles gut. Auch unser Auto samt Wohnwagen steht unberührt dort, wo wir es abgestellt hatten.
Entlang der Polnisch-Russischen Grenze
Da wir jetzt schon soweit im Nordosten Polens sind machten wir jetzt noch einen Abstecher an die Grenze. Wir hatten ja noch ein paar Tage Zeit und konnten somit unsere Rückreise, auf der wir eigentlich fast an der Grenze Polens zur Russland entlang nach Danzig fahren wollten, langsam angehen lassen.
Auch das Wetter hatte sich noch einmal wieder beruhigt nachdem es gestern am Ende unserer Paddeltour ja ordentlich abgekühlt hatte. Auf dem Weg an die polnisch-russische Grenze kamen wir an einer Holzkirche vorbei, wo wir zuerst dachten, es wäre eine dieser alten Stabkirchen.
Beim Blick ins Innere konnten wir uns kaum noch zurück halten. Die gesamte Kirche war aus Holz, nicht nur der Boden und die Wände, auch das Dach und die „Gewölbe“. Strahlen unsere sonst üblichen Kirchen aus Stein oder die neueren sogar aus nacktem Beton eine Kälte aus war dieser Anblick und damit auch die Atmosphäre von einer gewissen Wärme geprägt. Für mich schon ein irrsinniges Gefühl, was ich zuvor in dieser Art noch nicht erlebt hatte. Und das konnte nicht nur an der Sonne liegen, die ja auch hier durch die Fenster hinein schien.
Lange noch haben wir uns vor der Kirche am Auto über dieses Phänomen unterhalten bevor es dann weiter ging.
Die Frage der Übernachtung war ja auch noch zu klären, denn hier oben im Nordosten ist es wieder einmal menschenleer. Einen Campingplatz werden wir hier vergeblich suchen.
Direkt an der Grenze von einer Anhöhe aus werfen wir einen Blick hinein ins weite russische Land, ohne jedoch etwas Ungewöhnliches zu entdecken. Wir sehen vereinzelt kleine Boote auf einem See, wie wir sie hier in Polen oder auch bei uns antreffen würden.
Einzig und allein Schilder, die wir jedoch nicht lesen können (Pas Droczi Granicznej Sowejscie Zabronione) und natürlich die beiden Grenzmarkierungen machen deutlich, dass wir uns hier an einer Staatsgrenze befinden. Nichts außergewöhnliches also, zumal beide Staaten ja zum Osten gehören und wir das Jahr 2002 schreiben, uns also auch schon über 10 Jahre nach dem Mauerfall befinden.
Von Bolcie aus ging es jetzt direkt in Richtung Westen bis wir ein altes Viadukt sehen, das wie eine römische Wasserleitung aussieht. Auch auf unserer Karte war dieses Bauwerk eingezeichnet.
Das Stańczyki-Viadukt ist ein altes Eisenbahnbauwerk, das den kleinen Fluss Bledzianka im Tal überspannt. Zwei parallele, jeweils eingleisige Strecken führten hier nach dem ersten Weltkrieg einmal von Goldap über Szittkehmen nach Gumbinnen, das damals noch zu Ostpreußen und somit Deutschland gehörte. Im Zuge des Baus der Wolfsschanze wurde über diese Brücke ein Großteil des dafür notwendigen Baumaterials befördert. 1945 wurde die gesamte Eisenbahnstrecke dann von der Sowjetunion demontiert. Auch wenn die einem römischen Aquädukt ähnelnden Brücken ziemlich marode aussehen ließen wir uns es jedoch nicht nehmen, zu ihnen aufzusteigen und sie zu besichtigen. Die Spuren in der Mitte sind aus Geröll und Schottersteinen, nirgendwo ist etwas von der ehemaligen Nutzung als Eisenbahnbrücke zu sehen oder festzustellen. Die Brüstungen weisen Risse auf, man kann einzelne Teile ohne weiteres abheben. Alles wirkt absolut baufällig und erweckt nicht den Eindruck, dass die Begehung gefahrlos möglich ist. Es gibt jedoch auch keine Schilder oder Hinweistafeln vor oder auf der Brücke, die das Betreten untersagen würden. Und von unten führte sogar ein Fußweg direkt nach oben.
Ganz in der Nähe fanden wir dann an einem See auch einen total abgelegenen Platz, wo wir uns für diese Nacht niederließen.
Am nächsten Morgen nahmen wir noch einmal unsere Fahrräder, die wir ja eh, wenn wir den Wohnwagen auch innen nutzen wollten, hinaus stellen mussten und starteten erneut zu einer Radtour.
Fast in Sichtweite zur Grenze fuhren wir durch die Landschaft und stießen immer wieder auf kleinste Wege, die im weiteren Verlauf Grenzmarkierungen und zumindest optische Sperren aufwiesen.
Wir sind in der Rominter Heide, die zu einem Teil, nämlich mit dem südöstlichen, zu Kaliningrad, also Russland und mit dem nordöstlichen zum Ermland-Masuren und somit zu Polen gehört. Die Rominter Heide war ein beliebtes Jagdrevier preußischer Landesfürsten.
Aber nicht nur von denen, auch der deutsche Kaiser ging hier seiner Leidenschaft für die Jagd nach.
Am 27.09.1900 erschoss Kaiser Wilhelm II. hier in der Rominter Heide einen kapitalen Hirsch von 24 Enden. Die Heide war sein Jagdrevier, und das über 24 Jahre. Etliche solche „Kaisersteine“ geben hier Zeugnis von seinem Herrschen in der Heide, selbst der Ort Theerbude, in dem sein im norwegischen Stil errichtete Jagdschloss stand, wurde 1891 in „Kaiserlich Rominten“ umbenannt.
Als wir nach unserer Radtour an unserem Auto ankamen und uns auf ein herrlich kaltes Bier freuten – oh Schreck, alles im Kühlschrank war warm. Test der Beleuchtung, auch die blieb aus. Ich hatte vergessen den Kühlschrank auf Gasbetrieb umzustellen. Schlimmer war jedoch die Tatsache, dass ich den Wohnwagen immer noch stromtechnisch mit dem Auto verbunden hatte.
Also ging ich zum Auto, schloss es auf und setzte mich hinein. Dabei fiel mir sofort auf, dass die rechte Seitenscheibe fehlte. Erneuter Schreck bis ich feststelle, dass kein Glas auf dem Sitz war. Ich hatte nur vergessen sie hochzufahren.
Dann versuchte ich zu starten, doch nichts tat sich. Der Kühlschrank hatte wohl alles, was in der Batterie steckte, heraus gesaugt. So ein Mist. Was jetzt? Schon lange hatten wir kein anderes Auto mehr gesehen. Bei unserer Radtour sind wir jedoch an einem alten Gehöft vorbei gekommen. Also ab aufs Fahrrad und hin geradelt. Zu meinem Glück traf ich auch jemanden an, einen alten Bauern. Ich hegte ja die Hoffnung, dass wir uns auf Deutsch verständigen könnten. Aber leider Fehlanzeige. Er war sehr geduldig als ich ihm mit Hilfe von Händen und Füßen als auch seinem in der Nähe stehendem Traktor verständlich machen konnte, dass meine Autobatterie leer sei und ich Starthilfe benötigte. Doch es half alles nichts. Er, ebenfalls wiederum mit Händen und Füssen als auch Hinweisen auf einzelne Teile dieses alten Traktors konnte mir dann verständlich machen, dass sein Traktor nur sehr sehr langsam fahren würde – anschleppen würde somit nicht zum entsprechenden Erfolg führen und auch seine Stromversorgung nicht mit meiner kompatibel wäre. Sein Traktor, und dabei zeigte er mir seine Starterbatterie, verfüge nur über 6 Volt.
Okay, aber sonst haben wir viel miteinander geplaudert und außerdem das ein oder andere bestimmt selbstgebrannte Schnäpschen getrunken. So erfuhr ich auch, dass er gebürtiger Russe sei und nach dem Krieg aus dem Osten Russlands hierhergekommen sei.
Zurück am Auto hatte Monika sich schon Sorgen gemacht. Trotz der nicht so erfreulichen Nachricht nahmen wir das Ganze jedoch gelassen. Gas hatten wir ja noch, ebenso Grillkohle, und Wasser ja auch. Nur warmes Bier, aber ins Eisfach gelegt werden wir auch zu später Stunde davon noch etwas haben.
Ich werde derweil die Batterie ausbauen um mit ihr dann Morgen zusammen mit Monika das nächste Dorf aufsuchen. Also eine erneute Radtour ist angesagt.
Als wir dann so beide beschäftigt sind hören wir ein Geräusch, richtig, ein Motorengeräusch. Zwar nicht direkt bei uns, schon noch etwas entfernt, aber ich schwing mich schnell auf den Sattel und fahre in Richtung des Geräusches, das wir gehört hatten. Drei junge Polen hatten sich hierhin verschlagen, die ich natürlich direkt ansprach. Die Verständigung klappte prima, denn auch sie sprachen Englisch. Ich erklärte ihnen unser Problem und sofort kamen sie mit um uns beim Anschieben zu helfen. Denn weder sie noch ich hatte ein Starthilfekabel dabei, was ja das Einfachste gewesen wäre. Also sie aber sahen, wie und wo wir standen war klar, dass da nichts mit anschieben sein wird. Wir werden die nötige Geschwindigkeit nicht erreichen. Also Abschleppseil heraus und dann versucht, uns erst einmal aus dieser Wiese herauszuziehen, ab auf den Feldweg, der jedoch aus losem Sand bestand. Es waren schon einige Meterchen nötig, bis ich endlich die Kupplung kommen lassen konnte und der Motor auch gleich ansprang. Jetzt erst mal zum Wohnwagen zurück, Moni eingepackt und ab zum nächsten Dorf gefahren. Denn erstens sollte die Batterie sich ja ein wenig aufladen und zweitens wollten wir den hilfsbereiten Polen ja auch danken, mit Pivo, womit sonst.
Sie wehrten sich zwar mit Händen und Füßen als wir nach über eine Stunde wieder zurück kamen und ihnen unseren „Dank“ vorbei brachten aber sie nahmen ihn trotzdem an. Wir hatten jedoch auch festgestellt, dass wir ansonsten Morgen eine ausgiebigere Radtour hätten machen müssen, denn es waren etliche Kilometer bis zu diesem Dorf.
Am nächsten Tag sprang der Motor dann ebenfalls wieder an, auch wenn die Batterie noch nicht ganz ihre Stärke zurück gewonnen hatte.
Als wir erstmals auf der Rückfahrt wieder einen deutschsprachigen Sender in unserem Autoradio empfangen konnten erfuhren wir, dass starke und lang andauernde Regenfälle in den Alpen sowie im Erz- und Riesengebirge schwere Überschwemmungen und verheerende Schlammlawinen in Deutschland, Österreich und Tschechien gelöst hatten. Davon haben wir in Polen nichts mitbekommen. Weder von den Überschwemmungen noch von den lang andauernden Regenfällen. Wir hätten eher bombiges Wetter mit strahlendem Sonnenschein.
Als wir dann Dresden erreichten konnten wir die Ausmaße der Überschwemmungen sehen. Eine riesige Wasserfläche war zu sehen, die einzige noch befahrbare Brücke über die Elbe war die Autobahnbrücke der A 4.