Übernachtungsplatz vor Talladale – Kinlochewe – Feammore – Applecross – Pass of the Cattle – Redpoint – Übernachtungsplatz vor Talladale
185 km
Wahnsinn, sie gibt es noch. Dieser kreisrunde Ball, der nicht nur für Licht sondern auch für Wärme sorgt. Kurz, es schien einmal wieder ein sehr schöner Sommertag zu werden. Wir beeilen uns mit unserem Frühstück, setzen unser Gespann noch einmal um, damit das Abladen unserer Bikes problemloser vor sich gehen kann. Alle anderen haben diesen Übernachtungsplatz schon verlassen.
Zuerst fahren wir das Visitor Center an, bei dem wir gestern nur einen kurzen Halt eingelegt hatten als wir auf der Suche nach Wanderparkplätzen für unsere Übernachtung waren. Wir nehmen uns jetzt ein wenig mehr Zeit und studieren die Wanderregion, aber eben auch auf der Suche nach herrlichen Motorradstrecken.
Und wir werden fündig, oder besser Monika hat sofort ein paar Höhepunkte verbunden und daraus eine erneut schöne Tour zusammengestellt.
Zunächst noch in Kinlochewe die Tanks aufgefüllt und dann geht’s los. Waren anfangs die Bergspitzen noch im Dunst, oder war es Nebel, eingehüllt so wird es von Minute zu Minute besser. Es macht richtig Spaß, nach den doch eher trüben Tagen der letzten Zeit jetzt mal wieder die Sonne genießen zu können.
In Kinlochewe biegen wir rechts ab und fahren stets am Fuß des Liathach Gebirgszuges, indem auch der Beinn Eighe liegt, entlang. Auf der anderen Seite der Straße türmen sich die Torridon Mountains auf, die ebenfalls an die 1.000 Meter reichen. Sollte das Wetter jetzt wieder besser werden so können wir morgen auch mal wieder unsere Wanderschuhe anziehen, zumal es dort am Eighe eine schöne Wanderung geben soll.
Die Straße ist mittlerweile wieder eine single track road, auf der es Spaß macht entlang zu fahren. Kaum ein Auto kommt uns entgegen, eher sind es Mountain-Biker, die wohl ebenfalls das herrliche Wetter genießen.
Eine größere Herde von Galloway Rindern hat es sich hier am Rande der Straße „gemütlich“ gemacht. Endlich bekommen wir diese massigen Rinder hier in Schottland aus der Nähe zu sehen. Mit ihrem Fell sehen sie schon ein wenig zottelig aus. Von dem Bullen, der ebenfalls dabei ist, halte ich mich fern. Wenn der mich mit seinem Gewicht von fast einer Tonne auf die Hörner nimmt …
Zutraulicher sind da schon eher die Kühe, die mich sogar sehr nahe an sich heran lassen, während die Kälber eher mit sich selbst beschäftigt sind oder, wenn ich mich ihnen nähere, gleich zu ihrer „Mutter“ laufen. Wenn ich sie mir so ansehe kann ich es gut nachvollziehen, dass die Galloways auch harte Winter im Freien überstehen können, denn unter dem langen welligem Deckhaar befindet sich noch ein weiteres Fell mit feineren und dichten Haaren.
Weiter geht es jetzt auf die Halbinsel Applecross, zunächst am Loch Torridon entlang bis die Straße einen Knick macht und jetzt gen Süden verläuft. Wir sehen die Isle of Skye im Sonnenlicht, können sogar den Old Man of Storr erkennen, diesmal ohne Wolken, nur eben etliche Kilometer weit entfernt. Und natürlich das Quirang Gebirge auf Skye.
Die nächsten Kilometer geht es an der Küste entlang, alles weiterhin eine single track road. Rechts haben wir blaues Meer, links zunächst grüne Wiesen, auch einmal ein Wäldchen und dann langsam ansteigende Berge, die Ausläufer des Beinn Bhán. Und auch hier so gut wie keine Autos. Einige stehen am Rande und an der Küste sind dann die Angler zu sehen. Der ein oder andere Traktor kommt uns entgegen und wir müssen höllisch aufpassen, dass wir irgendwie an ihm problemlos, also ohne an seinen breiteren Anhängern anzuecken, vorbei kommen. Sie aber nehmen das alles mit einer Wahnsinnsruhe und Gelassenheit hin. Anders als bei uns zuhause, wo wir es ja auch mit Landwirten auf Feld- und Wirtschaftswegen zu tun haben.
Und dann sind wir auch schon in Applecross, einem kleinen Örtchen mit wenigen Häusern, dafür aber größerem, aber steinigem Strand und einem fish and chips Imbiss.
Wenn nicht jetzt wann dann – wir nehmen also die erste Portion dieses englischen, nicht schottischen „Nationalgerichts“ zu uns.
Die Verpackung von Speisen in Kartons kannten wir ja von den „außer Haus“ Pizzen bei uns in Old Germany, doch jetzt wurde uns auch bewusst, was die Menschen hier so aus den Imbissen heraus trugen. Es war dann zumeist wohl der Karton mit Fritten, auf dem dieses Stück Backfisch lag.
Wenn ich ehrlich sein soll, und das bin ich zumeist, dann konnten mich die Pommes nicht überzeugen. Vielleicht bin ich auch von den belgischen und niederländischen als Grenzregionbewohner zu sehr verwöhnt. Der Backfisch dagegen war absolut okay. Nicht das ich sagen müsste ich hätte noch nie einen besseren gegessen.
Nach dieser Stärkung mit unserer aber auch einzigen Portion fish and chips machten wir uns jetzt auf den Weg. Direkt am Ausgang von Applecross gleich die ersten Hinweis-, Warn- und auch Verbotsschilder an der Abzweigung, die zum Cattle Pass führt.
Auch wenn die Straße selbst nur auf 320 m ansteigt ist es die höchstgelegenste Straße in Schottland und im Winter wegen Schneefalls häufig geschlossen. Beim Blick zurück zeigt sich noch einmal die Isle of Skye, bevor es dann ein wenig mehr zur Sache geht. Zahlreiche Kurven in den unterschiedlichsten Radien, teilweise auch 180° Kehren, bei denen selbst ich noch einen Gang hinunter schalten muss. Hinzu kommt ein heftiger böiger Wind aus den unterschiedlichsten Richtungen, auf den ich mich nicht einstellen kann. Überraschend und plötzlich drückt er mal von rechts, mal von links. Volle Konzentration ist also gefragt, und natürlich die Beherrschung seiner Maschine. Aber es ist ein Genuss, zumindest mit den Motorrädern. Diese Kurven sind trotz allem übersichtlich, zumeist kann man schon von weiten die Situation ausmachen. Es gibt auch den ein oder anderen Camper, der uns begegnet, zumindest in der kleineren Version. Auch ein Niederländer versuchte sich mit seinem Wohnwagen, obwohl genau für diese Gespanne die Befahrung dieses Passes verboten war. Oben auf der Anhöhe angekommen erst einmal ein kurzer Stopp zum Verschnaufen. Doch auch hier bläst unaufhörlich ein kräftiger und zugleich kalter Wind. Zu ungemütlich, um hier länger die Aussicht auf Skye, aber auch den Beinn Bhán an diesem herrlichen Sonnentag zu genießen.
In der Hoffnung, jetzt bei der Abfahrt weniger mit den Sturmböen kämpfen zu müssen lassen wir uns herunterrollen. Und auch hier wieder die zahlreichen Kurven und Kehren, die diesen Pass mit zu einer der schönsten Straßen Schottlands macht. Mir geht der Gedanke durch den Kopf, dass wir uns gegen die Mitnahme unserer Motorräder entschieden hätten. Was würde ich mich an dieser Stelle ärgern. Und das zurecht.
Unten angekommen wird erst einmal angehalten. Hier ist von dem Wind, den wir teilweise auch auf der Abfahrt hatten, nichts mehr zu spüren. Wir genießen das erneute Sonnenbad und haben das Gefühl, nicht in Schottland sondern irgendwo in Frankreich oder Italien zu sein. Sicherlich gehören auch die unzähligen Pinien dazu, die hier am Rande stehen, teilweise sogar als kleine Pinienwälder. Da es noch früh am Tag ist, gerade einmal 15.00 Uhr, wollen wir jetzt noch auf dem Rückweg einen kleinen westlichen Abstecher zum Red Point machen. Wie wir gelesen hatten soll es besonders abends dort sehr schön sein mit der Trotternish-Halbinsel von Skye im Hintergrund den Sonnenuntergang zu genießen.
Also wieder rauf auf die Bikes und Gas gegeben. Als wir jedoch auf Höhe des Loch Torridon sind hat sich der Himmel plötzlich zugezogen, die ersten Regentropfen fallen. Nichts mit romantischem Sonnenuntergang, eher etwas fester in den Sattel setzen und die letzten Kilometer etwas zügiger fahren. Noch bevor wir wieder an unserem Übernachtungsplatz angekommen sind hörte der Regen auf, auch die Straßen waren trocken. Hier scheint es überhaupt nicht geregnet zu haben.
Da wir für Morgen, wenn das Wetter es denn zulässt, geplant hatten wandern zu gehen wollten wir die Bikes nicht einzeln stehen lassen sondern schon gleich auf den Trailer setzen. Zum Ausgangspunkt der Wanderung mussten wir eh hinfahren und eventuell bietet er sich ja auch als Übernachtungsplatz an.
Unter erschwerten Bedingungen luden wir die Motorräder auf. Ein Heer von Midges hatte sich eingefunden und überfallartig auf uns geschmissen. Es war zum Wahnsinnig werden. So schnell wie an diesem Abend hatten wir die Maschinen noch nie auf den Trailer bekommen und verzurrt. Einfach nur Rekordverdächtig. Brauchten wir sonst immer rd. 45 Minuten so waren sie heute in einer halben Stunde fertig verladen. Was Midges nicht so alles bewirken können.
Selbst in unserem Auto hatten es sich diese niedlichen Biester, deren Flügelspannweite gerade einmal 1,4 Millimeter beträgt, am Dach und an den Fenstern schon gemütlich gemacht und warteten nur auf ihre nächsten Opfer, auf uns. Sie können einen wirklich in den Wahnsinn treiben, denn sie setzen sich in den Haaren, aber auch in der Nase und den Augen fest.